Adrian Frutiger, 24. Mai 1928 – 12. September 2015

Die Nachricht vom Hinschied von Adrian Frutiger löst tiefe Trauer und eine grosse Leere in mir aus. Seine eleganten, schnörkellos-funktionalen Schriften haben mich seit meiner Jugend treu begleitet, wann immer es etwas zu schreiben gab, so war es gewiss in Frutiger, Avenir oder Univers, eine andere Schrift wäre für mich nicht in Frage gekommen. Frutiger’s Credo «Das Weiss ist genau so wichtig wie das Schwarz», die Balance zwischen dem, was man sieht und dem, was unsichtbar ist, war für mich eine Offenbarung. Als es galt, die Zifferblätter der Ventura Uhren zu gestalten, beliess ich es lange Zeit bei Index-Strichen, weil mich das Ungleichgewicht zwischen einstelligen und zweistelligen Zahlen störte. 2003 schliesslich fasste ich all’ meinen Mut und schrieb Adrian Frutiger einen Brief, in welchem ich ihm mein Dilemma schilderte; ein paar Tage später erhielt ich seine Einladung, ihn in seinem Reihenhaus in Bremgarten bei Bern zu besuchen; es war der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit und Freundschaft. Er war schon damals gesundheitlich sehr zerbrechlich und das Führen seiner Zeicheninstrumente bereitete ihm grosse Mühe; aber seine Augen funkelten und seine Gestik wurde intensiv, wenn er von Zahlen und Ziffern sprach. In einem langen Brief schrieb er mir am 25. Januar 2004 von seinen Visionen und seiner Begeisterung über die Idee, das Zifferblatt einer Uhr nicht als zufällige, empirische Ansammlung einzelner Zahlen, sondern als gesamthafte Typografie zu konzipieren; jene grotesk verzerrten Ziffern, wie sie oftmals in Uhren angesehener Marken zu sehen sind, waren ihm ein Gräuel. So entstand das Zifferblatt der myEGO Frutiger Uhr in Symbiose mit der zeitlosen Gehäuse-Mikroarchitektur von Hannes Wettstein. Der Eintrag über Adrian Frutiger in Wikipedia liest sich wie das verkörperte Geschichtsbuch der modernen Typografie, aber es beschreibt nicht jenen Adrian Frutiger, den ich kennenlernen durfte, einen immens menschlichen, bescheidenen Freund, den ich sehr vermissen werde, wohlwissend, dass er mir stets leise lächelnd über die Schulter schauen wird, wenn ich die Zeit auf meiner Uhr mit seinem Zifferblatt ablese.

September 2015

Pierre Nobs